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Der Salbker Wasserturm


Beginn der Industrialisierung

Der Salbker Wasserturm

Hauptbauwerk auf dem Geländes des ehemaligen Wasserwerkes Salbke, um den sich im
Folgenden alles dreht, ist, wie der gewitzte Leser bereits an der Überschrift erkennen kann,
ein Wasserturm. Nun, nicht irgendeiner, sondern der aus Salbke, einem einstmaligen, längst
eingemeindeten Vorort Magdeburgs. Wasserturm: eine merkwürdige Wortschöpfung. Ein Turm kann
schlechterdings nicht aus Wasser bestehen. Das ist uns aus dem Physikunterricht bekannt.
Unser Turm besteht, festgefügt, aus Ziegelsteinen, die auf einem kreisförmigen Fundament
ruhen und oben einen Wasserkessel tragen. In unserem Fall einen, mit immerhin 1000 m³
Fassungsvermögen. Ein hübscher Schwabb, würde er mit einem Male geleert. Nicht wahr...

Sein Erfinder war Otto Intze (1843-1904). Zu seiner Zeit waren diese Türme in der Fachwelt
nicht sonderlich beliebt. Wie ein Pokal würden sie aussehen. Nun, irgendwie stimmt das wohl
auch, aber wie das so ist, der Geschmack ändert sich und so sieht man das heute ein wenig anders
und findet ihn schön. Es sei denn, seine Pflege wäre mit Geld verbunden. Andere Orte mit einem
ähnlichen Turm, wie der von Halle an der Saale, bemühen sich reizend um dessen Erhalt. Leider ist
das im armen Magdeburg, einer armen Landeshauptstadt, mitten im reich verschuldeten
Deutschland, nicht der Fall. Was soll´s. Da wird sich wohl erst ein Verein darum kümmern müssen, die nötigen Gelder zu sammeln.

Bei den Intze-Türmen brauchten an und für sich
die Wasserkessel nicht verkleidet zu sein. Der
nichtrostende Behälter könnte frei stehen. Und ein Dach brauchte sie auch nicht. - Hatten sie
ursprünglich auch nicht. Wie der 1856 in Holland erbaute erste dortige Wasserturm. Sein
Wasserbehälter war oben offen. Und da Wasser im Winter bekanntlich recht hart werden kann,
beheizte man das Ganze. Dazu sei schnell eine kleine Geschichte erzählt:

Es war im Jahre 1855 am Holländischen Nordseestrand. Da war ein Mövenpärchen, das liebte sich
gar sehr. Und so beschloss es, ein paar Eier zu legen, auf das daraus hübsche Mövenkinder
entfleuchen mögen. Ein paar Kilometer weiter östlich fand sich auch so ein liebend Pärchen.
Dem ersten Paar wurde der später berühmte Mövenjunge Jonathan geboren, dem anderen
entkroch Emma aus dem Ei. Jonathan, der weithin bekannte Flugkünstler, dem sogar der Sänger
Neil Diamond ein bleibendes musikalisches Denkmal setzte, wagte die weite Reise zu Emmas
Heimat. Die Beiden sahen sich, und wie es dann immer ausgeht, sie verliebten sich ineinander.
Bevor sie sich ans Eierlegen machen wollten, beschlossen sie auf Entdeckungsreise zu gehen.
Mitten im kalten Winter kamen sich auf diese Idee. Bibbernd kreischte Emma ihrem Jonathan
während des Fluges zu, ob er ein warmes Fleckchen wüsste. Er, der Weitgereiste, kannte
natürlich einen solchen Ort. Und so flogen sie zu dem gerade fertig gestellten Wasserturm.
Er war mit herrlich warmem Wasser gefüllt. - Wie im Märchen, schwärmte Emma. Mitten im Winter
eine Badewanne mit dampfend warmem Wasser. Und sie beschlossen, für immer hier zu wohnen
und viele, viele Eier zu legen.

Unsere Geschichte endet mit dem Zorn der Menschen, die damit nicht einverstanden waren.
Verständlich, nahmen es die beiden mit ihrer Notdurft nicht so genau. Sie piselten und käckerten
in das Wasser hinein, was den Geschmacksnerven der Menschen nicht zuträglich war. Jedenfalls
wurden seither alle Wassertürme mit einem Dach erbaut. Unser Salbker Wasserturm erhielt sogar
ein gewölbtes Dach, ganz aus Kupfer. Übrigens wurde dieses Dach während des II. Weltkrieges
demontiert, um Kupfer für Munition zu gewinnen. Doch irgendwie muss da etwas nicht so recht
geklappt haben. Vielleicht ist das Kupfer zu spät angekommen. Und darum ging wohl der
Krieg verloren...

Nach unserer Emma-Johnathan-Episode begann man die Wassertürme zu verkleiden. Das fand man schicker. Aber irgendwie war es auch ein witziges Unterfangen. Denn nun wäre ein nicht gerade billigerUnterbau nötig gewesen, wollte man auf die preiswerten wie praktischen konstruktiven Eigenschaften des Behälter-Auflagers verzichten. Deshalb wurde einfach eine Hülle aus Gewebeputz oder auch Holz an den Behälter angehängt. Unser Salbker Wasserturm ist mit einem Stahlskelett versehen, dass mit Mauerwerk ausgefacht ist. Begibt man sich auf das Auflager, so kann einem schon das Gruseln ankommen. Denn die Außenwand ist gerade mal eine dünne Ziegelwand stark, die zudem durch Fenster und Lüftungsschlitze unterbrochen ist. Aber diese Wand ist ja nur eitler Zierrat; sie trägt nichts außer sich selber. Derweil kritisieren die auch damals schon vorhandenen Kritiker munter weiter, ohne jedoch etwas Besseres, als den in den Himmel ragenden, weithin sichtbaren „Pokal“ zu erfinden.

Etwas ganz Besonderes an unserem Salbker Wasserturm ist sein mittig angelegter innerer Schornstein. Diesen rauchenden Pokal gibt es so schnell nicht wieder, glauben Sie es nur. Zunächst wollte man den, wegen des Dampfmaschinenbetriebes nötigen Schornstein neben dem Turm bauen. Aber, ich bitte Sie, wer macht schon so etwas. Deshalb also baute man ihn inmitten des Turmes ein und nutzte den reichlich vorhandenen Platz im Turmschaft. Gleichzeitig sollte seine Abwärme das Einfrieren des Wassers verhindern. Dazu wäre es bei dem doch recht ordentlichen Volumen und der ständigen Bewegung, infolge des Einleitens und wieder Ablassens sowieso nicht gekommen. Aber man braucht ja immer eine hübsche Begründung für sein Tun, um sich oder sich gegenseitig auf die Schulter klopfen zu können.


Die Wasseraufbereitung im Wasserwerk Salbke

Grundriss des Salbker Wasserwerkes


Bevor wir uns um die Technik des Wasserwerkes Salbke, anno 1894 kümmern, ein paar Worte an die werte Internet-Interessengemeinschaft. Wir wollen im folgenden mit Hilfe weniger noch vorhandener Unterlagen, Beschreibungen und Pläne einen Wasserwerksbetrieb rekonstruieren, der vor mehr als hundert Jahren erbaut wurde. Keine fünfzig Jahre war er für preußische Staatsbahn und später das Reichsbahn-Ausbesserungswerk in Betrieb. Das im wahrsten Sinne des Wortes herausragende Bauwerk, der Wasserturm, bröckelt inzwischen traurig vor sich hin. Und wenn nicht ein oder zwei Milliönchen für seinen Erhalt locker gemacht werden, fällt sein stählerner Wasserbehälter mit all seinen Nieten polternd und tösend herunter. Dann will es mal wieder keiner gewesen sein. Und überhaupt, schuld ist nur die Wirtschaftskrise. Welche auch immer. Hundert Jahre, das ist kaum mehr als ein menschheitsgeschichtliches Stirnrunzeln. Und doch ist so gut wie kein Wissen seines einstigen Betriebsganges vorhanden. Derweil werden die Zähne von Editha, der ersten Frau Otto des Großen, untersucht und man wird feststellen, dass sie an ihrem letzten Tag des Jahres 946 Spinat gegessen hat. Gut, das wollen wir schon wissen, doch so ein Dampfmaschinen betriebener Wasserturm-Betrieb ist doch auch interessant. Als ein Zeugnis der gerade durchstartenden deutschen, höchstkaiserlichen Industrie. - Genug der Worte.


Als einziges Hilfsmittel können nur ein paar vergilbte und mehrfach kopierte Kopien und ein paar Fotografien aus dem Magdeburger Stadtarchiv dienen und ein wenig Text aus dem auch nicht sehr reichhaltigen Fundus der unteren Denkmalschutzbehörde. Das Beste, was uns zur Verfügung steht, ist der vorliegende Grundriss des Salbker Wasserwerkes, samt seiner Parkanlagen. Um es vorwegzunehmen, uns steht eine Menge Arbeit, sprich Recherche, bevor. Denn selbst Fachleute aus der Zunft des Umwandelns von Dreckwasser zu leckeren, kristallklaren Trinkwassers, haben es hier nicht leicht. Das Nachvollziehen der Funktionalität mancher inzwischen abgerissener Betriebsteile oder gar deren damaliges Aussehen zu rekonstruieren. Und das wollen wir doch wissen. Denn wir wollen unsere Rekonstruktion, das sei hier mal kurz verraten, in Form eines schicken 3D-Modells nachbilden. Dieser Bilder ansichtig, wird das Ganze ein Jeder begreifen und darf dann getrost glauben, er hätte so wie so alles schon immer gewusst.

Zur Zeit der Inbetriebnahme des Wasserwerkes der königlich-preußischen Staatsbahn war aus der nahen Elbe relativ einfach sauberes Wasser zu gewinnen. So ist von dem am 27. Mai 1893 eingeweihten Wasserwerk Kaltehofe bekannt, dass es ein mit seinen Langsamsandfiltern bakteriologisch und organisch gereinigtes „vorzüglich gefiltertes Elbwasser" geliefert habe. Ob diese Bedingungen in Salbke zur damaligen Zeit ebenfalls vorlagen, muss bezweifelt werden. Gab es doch zahlreiche Beschwerden über den steigenden Salzgehalt, der aus der Saale in die Elbe eingetragen wurde. Von einer Dame ist aus jener Zeit zu vermelden, der in ihrer schicken Zinkbadewanne vom Geruch des Wassers übel geworden sei. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass das Elbwasser zu den damaligen Zeiten noch leichter zu reinigen war, als heute. Auf höchsten Reichskanzler-Erlass hin wurde das gefilterte Wasser ab sofort streng überprüft. Dies geschah in einem im Erdgeschoss des Wasserturmes befindlichen Labor.

Der Betriebsverlauf



Das Wasser wurde mittels Plungerpumpen, die sich im Maschinenhaus befanden, aus der Elbe gesaugt. Noch heute sind die Schiebergruben und Rohrschächte der damaligen Rohrleitungen zu erkennen. Dieses Wasser konnte natürlich noch nicht genutzt werden. Alle verunreinigenden Stoffe mussten herausgefiltert werden. Dazu stand ein umfangreiches und wohldurchdachtes System zur Verfügung. In den Becken, die später als Schwimmbecken Verwendung fanden, ist in unserem Plan der Begriff „Klärbecken“ eingezeichnet. Dieser Begriff ist in unserem Zusammenhang verwirrend. Entweder es ist eine Bezeichnung, die sich in späteren Zeiten wandelte oder er ist hier falsch angewendet. Die Anlage war, wie Fotografien zeigen, mit einer hohen Schicht Erde überdeckt, die vor dem Umbau zu einem Schwimmbecken sogar die Bewirtschaftung eines Gartens zuließen. Es war also geschlossen. Ein Klärbecken ist jedoch stets nach oben offen, sodass die entstehenden Faulgase in die Atmosphäre entweichen können. Diese Möglichkeit ist in unserem Fall ausgeschlossen. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass es sich um ein Absetzbecken gehandelt hat. Ein solches Becken dient der Trennung von Feststoffen oder Schlamm vom Wasser. Wohin wurde der in dieser Anlage anfallende Schlamm nun hin transportiert? Sicherlich ist der Schlamm mittels Kipploren abtransportiert worden. Zumal sich ein solches Gleis zwischen Absetzbecken und Filterkeller befand. Dies diente dem An- und Abtransport des in der Sandwaschanlage zu reinigenden bzw. gereinigten Filterkieses.

Dampfmaschinen



Das Wasser wurde mittels Plungerpumpen aus der nahen Elbe abgesaugt und in die Filterkeller gepumpt. Plungerpumpen, diesen Pumpentypus gibt es heute noch. Ein wenig moderner und schicker vielleicht und weniger lange funktionsfähig. Vor allem elektrisch angetrieben. Denn wer will sich heute noch mit Kohlen abschleppen um eine für diese Pumpe erforderliche Dampfmaschine anzutreiben. Plungerpumpe den Namen trägt sie von ihrem Erfinder, Herrn Plunger. Gewiss wäre sie irgendwann im beginnenden Industriezeitalter von jemanden anderem auch erfunden worden. Dann hieße sie eben anders. Vielleicht hätte sie dieser Erfinder, ein weniger eitel, ganz einfach nach ihrem typischen Merkmal hin benannt. Stopfbuchsenpumpe. Ein scheußlicher Name, aber er würde den Kern treffen. Denn der für das Ansaugen des Wassers verantwortliche Saugkolben bewegt sich durch eine Stopfbuchse hin und her. Tolle Idee, nicht wahr. Natürlich musste diese Buchse beständig gefettet werden. Aber das war damals kein Problem; Arbeiter gab es in Hülle und Fülle, die sich freuten, mit Schmierfett hantieren zu können. Was gibt es noch zu sagen? Nun, der Saugstutzen der Pumpe musste sich in Höhe der Zuleitung, also in Elbwasserhöhe, befinden. Deshalb war das Maschinenhaus am Ort der Plungerpumpen unterkellert. Eine platzsparende Wendeltreppe führte nach unten, so dass unser Schmiermaxe seiner Arbeit nachgehen konnte.

Um die Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhunderts drehte sich bei den maschinellen Antreibern alles um die Dampfmaschine. Manch einer der heutigen Zeitgenossen wird, falls er sich einmal in ein technisches Museum verirrt, staunend vor einem solchen Koloss stehen. Es handelt sich dabei um ein Gerät, dass das Kunststück fertig bringt, die durch die Expansionskraft des Dampfes zunächst geradlinige Hin- und Herbewegung der Kolben in eine ordentliche Drehbewegung umzuwandeln. Wer ein Auto sein eigen nennt, hat es mit einer vergleichbar wundersamen Bewegungsumwandlung zu tun. Diese Drehbewegung wird für den Pumpenbetrieb benötigt: eine Dampfmaschine für den Antrieb einer Plungerpumpe und eine für die doppelt wirkende, wesentlich kräftigere Pumpe, die das gefilterte Wasser aus dem Filterkeller in den doppelten Wasserbehälter, hoch droben im Wasserturm pumpt. Damit die Kraft auch wirklich ausreichend vorhanden ist, sind von beiden Pumpentypen jeweils zwei vorhanden. Und nun, da das Wasser bereits oben ist, kann es je nach Bedarf und ohne Maschinenkraft, getreulich den auf unserem Planeten üblichen Schwerkraftgesetzen folgend, zu nachtschlafender Zeit per Wasserhahn dorthin fließen, wo es gebraucht wird. Einfach so. Schlau, nicht...

Die Filteranlage



Kommen wir zur Wasseraufbereitung. Zunächst pumpen die Plungerpumpen das Elbwasser in die in unserem Plan als Klärbecken bezeichneten Absetzbecken. Dort werden grobe Verunreinigungen, wie Laub und andere pflanzliche, vielleicht auch tierische Schwebstoffe vom Wasser getrennt. Anschließend gelangt das nun etwas saubere Wasser in die Filteranlage. Langsamsandfilter ist ihr Spitzname. Steigt man in die noch heute vorhandenen, von Fledermäusen bevölkerten Filterkeller, so ereilt einen der Eindruck, ähnliches schon einmal gesehen zu haben. Und richtig; wir alle durften in dem Film „Der Herr der Ringe“ in das Zwergenreich eintreten. Erinnern Sie sich? So ähnlich sah es dort auch aus. Wer weiß, hübsch illuminiert, bietet sich eine heutigen Nutzung als Nobel-Bar oder Disco an. Aber wir befinden uns im Jahre 1984. Und da wird der Keller – Sie glauben es nicht – zum Filtrieren des Elbwassers fehl genutzt. Dort gelangt Tropfen für Tropfen vorbei an Steinchen für Steinchen und verliert dabei seine ungeliebte Ladung. Den Schmutz, bzw. in gesammelter Form, der Schlamm. Das ist das Hauptnebenprodukt (hübsche Wortschöpfung, nicht wahr...) beider Anlagen. Schlamm über Schlamm. Wo man auch hinschaut, wunderbarer stinkender Schlamm. Schlamm, Leute, kauft Schlamm! Diese Beimengung unseres Elbwassers muss, komme was da wolle, aus beiden Anlagen entfernt werden. Viel Arbeit. Dafür sind die Leute der Sandwaschanlage zuständig. Zunächst wird der verschmutzte Kies segmentweise im Filterkeller mittels Kipploren nach oben befördert. Lore für Lore wird in die Sandwaschanlage geschoben. Ja, der Kies muss gewaschen werden; soviel Geld haben wir nicht, ständig neuen sauberen Kies zu kaufen. Jedenfalls funktioniert da ein zeitlich gut ausgetüfteltes System. Sind die Leute im Filterkeller zu schnell, kommen die Sandwaschanlagenleute nicht nach. Oder umgekehrt. Der Kies wird in der seiner Säuberungsanlage manuell gereinigt. Nichts da, von wegen eine Maschine. Da rühren Arbeiter mit eigens dafür hergestellten Krücken in dem Kies herum. Bis er blitze-sauber ist. Was für eine Arbeit...
Nun wird der Schlamm in die Klärgrube befördert. Die befindet sich am Hang, gleich hinter der Sandwaschanlage. Anschließend in der Schlammtrockung, wird er, seines Wasservolumens beraubt und damit wesentlich leichter zu transportieren, irgendwo hin geschafft. Vielleicht vorher zu Schlammbriketts geformt, als Exportschlager für ferne schlammarme Länder, um dort mit ein wenig Wasser wieder zu herrlich matschigem Schlamm zurück verwandelt zu werden.