Das Neolithikum

Die Linienbandkeramik, die erste neolithische Bauernkultur und ihre Langhäuser
Woher sie kamen

Vielleicht war alles ganz anders, als im Folgenden dargestellt. Aber es ist ein Versuch, basierend auf den letzten, interdisziplinären Forschungsergebnissen und mehr oder weniger plausiblen Erklärungen, sich einen Reim auf alles zu machen, was damals so passiert sein könnte.
Vor etwa 12 000 Jahren...
In Europa ziehen sich die großen Gletscher zurück; die Eiszeit ist beendet. Die hiesigen Jäger und Sammler könnten es sich bis zur nächsten großen Kälte gemütlich machen. Sollte man denken. Allein, der baldige Ansturm der Bauerngesellschaft wird ihnen einen Strich durch die Rechnung machen. Denn große Ereignisse werfen bereits jetzt ihre Schatten voraus... Originalfoto! Linienbandkeramiker beim Einbringen der Ernte Ein Klick macht´s größer In Nordafrika ,„bricht“ die erste Revolution der Menschheit aus: Es ist die neolithische Revolution. So wird die Erfindung der Landwirtschaft seit dem britischen  Prähistoriker V. Gordon Childe 1936 genannt. Die einstmals alles Essbare aufsammelnden und jedem Getier nachlaufenden Menschen beginnen, sich ihre Umwelt besser nutzbar zu machen. Sie bauen alles, was sie so brauchen, ab sofort in ihren Schrebergärten an. Und für den großen Hunger oder wenn sie ganz einfach Appetit auf Fleisch haben, zähmen sich hinterlistig ein paar Tiere, denen sie nach Bedarf den Garaus machen.

Die ersten, die dahinter kommen, leben im Fruchtbaren Halbmond. Das ist eine ziemlich irdische, sichelförmige Gegend, die zwischen Palästina und Oberlauf des Tigris über die Randgebiete der türkisch-iranischen Gebirge bis zum Persischen Golf liegt. Von dort stammen die Wildarten von Einkorn, Emmer, Gerste, Linsen und Bohnen und die Urformen der heutigen Haustiere, wie Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine. Vor dem Genuss kommt die Mühe.

Irgend jemand wird eines Tages entdeckt haben, dass einige der sonst aufgesammelten Körner in den Vorratsgruben austreiben. So beginnen die ersten Aussaaten. Und von Saat zu Saat werden die Pflanzen robuster. Die Körner öffnen sich nicht mehr so leicht, wie bei den Wildpflanzen. Endlich kann das Getreide nach dem Einsammeln nach Hause gebracht werden, ohne dass einem die wertvollen Körner unterwegs aus den Ähren schießen.

So gut wie jetzt, ging es ihnen noch nie. Wenn der Hunger kommt, brauchen sie nur noch in die Vorratsgrube greifen, eine Handvoll des dort gespeicherten Getreides in den Mund stecken, oder es zermahlen und mit etwas Wasser einen wunderbaren Pamps daraus zubereiten. Und bald, wenn sie erst den Backofen erfunden haben, können sie sich sogar leckere Fladen backen. Ein Klick darauf bringt eine größere Karte

Vor 10 000 bis 9 000 Jahren...
Es ist wie im Tierreich: geht es einer Population gut, so vermehrt sie sich: Die Gesellschaft der Bauern wächst. Bald wird es ihnen eng in ihrem Fruchtbaren Halbmond. Die ersten beginnen, sich nach neuem Siedlungsraum umzuschauen. Es entstehen drei Gruppen, die die Gebiete um Jericho, Ali Kohs in Pakistan und Çatal Hüyük in Anatolien besiedeln. Anatolien scheint Ausgangspunkt für die Menschgruppe zu sein, die sich bald aufmachen wird, Europa heimzusuchen.

Diese Leute sprechen Sprachen oder besser Dialekte, die der indoeuropäischen Sprachgruppe zuzuordnen sind. Deren gemeinsame sprachliche Wurzeln sind noch heute in Südindien und Teilen Nordafrikas zu hören.
Wohl doch nichts, mit Nordischer Herrenrasse...

Vor 7 500 Jahren...
Nach Erkenntnissen moderner Linguistik, Genetik und selbstverständlich der Archäologie sind es zwei Wanderzüge, die sich teilten und langsam aber unaufhaltsam das landwirtschaftliche Brachland Europas besiedeln. Eine Besiedlungswelle führt, den Ufern des Mittelmeeres entlang, in Richtung Südfrankreich und Spanien. Die andere Welle geht am Schwarzen Meer vorbei, um das Kaspische Meer herum und wendet schließlich in Richtung Westen.
Bald formieren sich im Südosten Europas die Bauernkulturen, die sich bald darauf bis Nord- und Westeuropa ausbreiten werden. Es ist vor allem die Körös-Kultur in Ungarn und die Starcevo-Kultur in Jugoslawien. Es sind die Leute, die bald weiter nach Mitteleuropa ziehen.

Nichts mit Kriegern, die Europa auf schnellen Pferden vom Osten her erobert hätten. Was hätten die einer hoch entwickelten Kultur, außer gewöhnlicher Gewalt, schon entgegensetzen können? Sie hätten einer zahlenmäßig weit größeren Menschengruppe ihre Sprache aufzwingen müssen. Solch Gesindel wäre, wie sehr viel später die Hunnen, schnell ins Land eingebrochen, hätten sich die gewiss nicht vorhandenen Schätze angeeignet und wären unter Siegesgeheul wieder abgezogen. Getreide säen, dreschen, Bäume fällen, Häuser bauen? Den ganzen Tag am selben Fleck hocken? Nein, das wäre nicht ihr Ding gewesen. Oder aber es wären Amazonen gewesen, die über die armen Bauern hergefallen sind, um sie zu vergewaltigen. Bestimmte, für unsere Vermehrung nun mal nicht ganz unwichtige, Erbmerkmale werden schließlich nur von der Mutter weitervererbt. Die mitochondriale DNA, Gene die für den Energiestoffwechsel der Zellorganellen zuständig sind. Weiß doch jeder...

Wie dem auch sei, jetzt, wo die Linienbandkeramiker nun mal da sind, ist es schließlich gleichgültig, wer daran schuld trägt.

Vor 7 000 Jahren...
In ihrer Urheimat entstehen dreitausend Jahre später die ersten Hochkulturen. Auf Schrifttafeln wird, damit keiner den anderen hintergeht, peinlich genau Buch über den Verkauf von Waren geführt. Prachtpaläste werden gebaut.
In der neuen Welt aber, dem kalten, feuchten Norden, machen diese ersten Pioniere einer neuen Kultur die riesigen Lindenwälder urbar.
Sie beginnen sich breit zu machen in Europa. Nichts ist, wie es einmal war. Sie vernichten kurzerhand alle Linden und errichten sich ihre bereits erwähnten Schrebergärten. Niemals wieder wird es solche Wälder geben. Außer einem ganz kleinen, immerhin aber dem größten in Europa, gleich in der Nähe von Colbitz, einem Bierbrauerdorf, zwischen Magdeburg und Stendal. Und sie schlagen in Eichenwäldern Bäume, um daraus ihre Langhäuser zu bauen... Rekonstruktionsversuch einer linienbandkeramischen Dorfes
Bei dem Anblick dieser Prachtbauten wird den von der letzten Eiszeit übrig gebliebenen Sammlern und Jägern die Spucke weg geblieben sein. Das war schon etwas anderes, als die elenden Lederzelte, die immer wieder eingepackt werden mussten, wenn das Fleisch ausging. Von ihnen einen Bärenpelz zu ertauschen, nur dazu mögen sie für die Bauern interessant gewesen sein, zu mehr nicht.
Aber irgendwann werden sie schon dahinter gekommen sein, dass es besser ist, einer vernünftigen geregelten Arbeit nachzugehen.

Taten sie wohl auch. Bis auf ein paar Hartgesottene, die da nicht mitmachten. Die zogen sich lieber zurück und blieben bis heute unter sich. Die Basken. Ihre sprachlichen und genetischen Merkmale machen sie so ziehmlich einmalig unter uns Erdbewohnern. Wie wir wissen, haben sie das Bauernhandwerk inzwischen gelernt. Und, wie wir längst wissen, ist ihr Kampf um die alte Eigenständigkeit in Zeiten der Globalisierung und Co. nutzlos; sie werden sich mit den Siegern vermischen müssen.
Bald schon, ist zu fürchten, wird es den letzten baskischen Mohikaner geben. Genauso, wie die anderen auch, die sich kampflos einer neuen Ordnung unterworfen und sich mit den Neulingen vermischt haben mögen. Bis auf jene, die nach dem großen Eis den Rentierherden nachgezogen sein werden.

Reste der linienbandkeramischen Langhäuser finden sich überall dort in Europa, wo guter Lößboden vorherrscht. Diesen Boden lieben sie. Kein Wunder; verspricht er doch für viele Generationen reiche Ernten. Und wirklich, ohne Düngung gedeiht auf dieser Erde jahrhundertelang ihr Saatgut. Sogar Mohn. Den haben diese Bauern nicht aus ihrer Heimat mitgebracht. Der ist in den Gebieten des heutigen Südfrankreichs beheimatet.
Wird für die Forscher wohl noch einiges zu klären sein, wie der hierher gekommen ist. Auch einige Keramikfunde weisen im westlichen Mitteldeutschland Ähnlichkeiten mit der in Frankreich üblichen bandkeramischen Ornamentik auf.

2. Wohin sie gingen
Jetzt, da wir wissen, woher sie kamen, stellt sich noch die Frage, Was aus ihnen wurde. Sind wir ihre Nachfahren? Nein, wohl mehr ein Gemisch aus ihnen und allen, die danach so kamen. Es wollten offensichtlich noch andere von dem großen Kuchen ein gehöriges Stück abhaben.

Wer? Vielleicht nachgerückte Brüder und Schwestern. In Niederösterreich, am nordöstlichen Zipfel, in Asparn an der Zaya werden seit 1983 gar grausige Funde gemacht. Funde, die darauf hindeuten, dass es gegen Ende der Linienbandkultur zu heftigen Kämpfen gekommen sein muss. Und so manches deutet darauf hin, dass ähnliche Verhältnisse überall in Europa auftraten.
- Und willst du nicht mein Bruder sein...

Mit schweren Geschütz sind die Anderen vormarschiert, besser vorgeprescht. Mit Kampfhunden, Pfeilen und Keulen. Was die Hunde nicht schafften, radierten die Keulen weg. Unsere Linienbandkeramiker hatten keine Chance. Zwar versuchten sie, sich kurz vor Ende ihrer Kultur noch rasch zu verbarrikadieren. Aber ihre Wälle und Einfriedungen werden wohl zu groß gewesen sein, um von ihnen auf Dauer verteidigt werden zu können. Die Angreifer dagegen, hatten nur kleine kreisförmige Ringwälle zu schützen. Nein, es war vorbei mit unseren Leuten. So zumindest könnte es sich in Asparn an der Zaya zu getragen haben.

So oder so. Es ist nicht zu ändern, wenn die Zeit reif ist für etwas Neues, dann ist es durch nichts aufzuhalten. Leider ist es zumeist rohe Gewalt, die alles Bestehende zerstört.
Aber vielleicht werden wir ja doch noch aus den Erfahrungen schlau, die die Archäologie uns bietet.

Allein - dieser Halbsatz gilt wohl allezeit - die neuesten Ereignisse jedoch ...