Das Neolithikum

Die Linienbandkeramik, die erste neolithische Bauernkultur und ihre Langhäuser
Aufbau der Langhäuser

Wer ein linienbandkeramisches Langhaus rekonstruieren will, wird sehr einsam. Er wird sich dabei, ob er will oder nicht, mehr und mehr um reichlich 7 000 Jahre zurückversetzen müssen.
Die einzigen, die ihm beim Aufbau des Hauses helfen könnten, findet er nicht. Und die Leute von heute wissen von nichts.

1. Aufbau der Langhäuser
1.1 Grundsätzliches
Für die Kultur der Linienbandkeramik ist vor allem die charakteristische Verzierung der Keramik bekannt. Weitaus weniger sind es die erstmals im Jahre 1929 ergrabenen Grundrisse ihrer Häuser. Damals als Wohnhäuser noch unerkannt, weisen sie Flächen auf, die auf Bauten mit zum Teil enormen Ausmaßen schließen lassen.
Aufgrund der spärlichen Befunde kann ihr einstiger konstruktiver Aufbau nur vermutet werden. Mehrfach ist versucht worden, ihr mutmaßliches Äußeres nachzugestalten. Mit der handwerklichen Denkweise von heute ist es jedoch schwierig, ein Bauwerk nachzugestalten, dass vor mehr als sechstausend Jahren von Menschen gebaut wurde, deren Weltanschauung nicht oder kaum nachvollzogen werden kann. Das mit den Kettensägen von heute bearbeitete Baumaterial ergibt wohl ein makelloses, exakt gebautes Haus. Die Seele, die Mystik, die einem solchen Haus einst innewohnte, wird, wenn überhaupt, nur schwer nachempfunden werden können. Dennoch wird jeder Rekonstruktionsversuch dazu dienen, die damaligen Lebensverhältnisse Stück für Stück in die heutige Wirklichkeit versetzen können.

Selbst die nachfolgend beschriebene, moderne, nüchterne virtuelle Rekonstruktion, die auf einem realen, mit all seinen geometrischen Mängeln behafteten Grundriss basiert, sollte hierfür geeignet sein.

Alle bisher ergrabenen Hausgrundrisse weisen, unabhängig von deren Flächenmaßen, große, beinahe standardisiert wirkende Ähnlichkeiten auf. Grundsätzlich werden sie in zwei Baugruppen unterteilt, die ältere und jüngere Linienbandkeramik. Das Unterscheidungsmerkmal hierfür ist das Vorhandensein einer „Y“-förmigen Pfostenanordnung im Mittelteil. Während in den Anfängen der Bandkeramik diese „Y“-Konstruktion vorherrschte, degenerierte dieses „Y“ später mehr und mehr von einer schrägen Anordnung bis zu ihrem Wegfall.

  Ältere Linienbandkeramik Jüngere Linienbandkeramik
Typ 1a
Typ 1b Rekonstruierter Haustyp
Typ 2
Typ 3

Tabelle 1

Die Aufteilung der Grundrisse deutet darauf hin, dass die Häuser einem dreifachen Zweck gedient haben müssen: Dem Wohnen, Arbeiten und der Lagerung des Erntegutes. Nach umfassenden Untersuchungen [LÜNING] wird davon ausgegangen, dass sie jeweils eine Kleinfamilie von sechs Mitgliedern beherbergt haben.

Die Haltung von Vieh konnte bisher noch nicht belegt werden. Deren Exkremente wären auch heute noch im Boden nachweisbar. Die Tiere waren gewiss widerstandsfähiger, als die heutigen. Außerdem war es zur Zeit des Subboreal, der Periode, in der die Kultur der Linienbandkeramik bestand, relativ trocken aber auch wärmer als heute.

Im unmittelbaren Umfeld befinden sich Gruben unterschiedlicher Größe, die als Lehmlieferanten gedient haben. Nach Bauabschluss wurden sie als Abfallgruben genutzt, gleichzeitig konnte das Regenwasser von den Dächern darin ablaufen. Selbst Begräbnisstätten sind bezeugt.


Abbildung 1

Der Grundriss besteht in seiner Längsachse aus fünf Pfostenreihen und bildet somit in ein vierschiffiges Bauwerk. Bereits die Anordnung der Pfosten lässt die Annahme zu, dass es sich um die Pfetten- konstruktion eines Satteldaches gehandelt hat (Abb. 1). Quer zu den Pfetten lagen Rofen, auf die wahrscheinlich Gras, Stroh oder Schilf als Dachdeckung angebracht worden war. Diese Vermutung findet durch die der Archäologie vorliegenden Tonmodelle von Branc und Strelice-Sklep eine gewisse Bestätigung. Auch wenn sie der Lengyel-Kultur zu zuordnen sind, so sollten doch einige Rückschlüsse zu linienbandkeramischen Hausbauten erlaubt sein. Die dort aufgefundenen Modelle weisen einen Dachwinkel von etwa 45° auf. Und sie lassen darüber hinaus weitere Mutmaßungen zur Dachgestaltung zu. So ist an der geschlossenen Giebelseite ein Firstpfosten zu erkennen, die Firstpfette und die in regelmäßigen Abständen angebrachten Rofen. Schließlich sind Dachüberstände an den Giebelseiten und Längsseiten sichtbar. Selbst der Eingang ist an einer der Giebelwände dargestellt. [VLADÁR und LICHARDUS 1968 sowie LULEY 1997].

Nicht zuletzt wegen der erwähnten Ähnlichkeiten linienbandkeramischer Hausgrundrisse sollte es zulässig sein, die beschriebene Dachform als typisch für das Neolithikum auszulegen. Zumal der Dachwinkel zumindest bei Verwendung von Schilf ein optimales Ablaufen des Regenwassers gewährleistet. Ob die neolithische Bauweise hinsichtlich der Dachkonstruktionen von einem sich grundlegend verändernden, dynamischen Baustilwandel geprägt war wird wohl aufgrund der spärlichen Befunde kaum jemals nachgewiesen werden können. Immerhin wurden vergleichbare Hütten noch im Mittelalter gebaut. Somit sollte es zulässig sein, diese Dachform auch für den nachfolgend beschriebenen Rekonstruktionsversuch in Anwendung zu bringen.

Die Wände waren mit Zweigen verflochten und mit Lehm verputzt. Für diese Maßnahme liegen der Archäologie gesicherte Befunde vor. Der Lehm wurde zur Verbesserung der Belastbarkeit mit Getreidedruschresten gemagert. Zum besseren Schutz gegen Feuchtigkeit wurden die Wände anschließend mit Kalkmilch angestrichen.

Die Archäologie hat besonders in den letzten dreißig Jahren große Fortschritte bei der Erforschung der linienbandkeramischen Kultur gemacht. Neben den spektakulären Funden in Niederösterreich zählt gewiss der Brunnen von Erkelenz. Daraus gewonnene Erkenntnisse lassen sich auch hinsichtlich der Rekonstruktion neolithischer Langhäuser anwenden. Dennoch wird vieles Hypothese bleiben. Denn Holzbefunde oder gar Teile von Dachkonstruktionen werden wohl wegen der damals stets aufgesuchten, organische Stoffe kaum konservierende Lößböden auch in der Zukunft weitgehend ausbleiben.

Grubentiefe:
0,8 m
Länge
[in m]
Durchmesser
[in m]
Firstpfosten 4,85 0,30&
Mittelpfosten 2,95 0,25
Wandpfosten 1,60 0,15
Firstpfette 7,0-8,0 0,30
Mittelpfette - 0,25
Traufpfette - 0,20
Rofen 6,0 0,15
Spalthölzer 1,5-5,3 -
Tabelle 2


1.2 
Gliederung des Langhauses (Fenster mit Grundriss-Erklärung)

Ein bandkeramisches Langhaus des vorliegenden Typs 1b (Tab. 1) wird aufgrund seiner Besonderheiten in drei Teile gegliedert:
Nördlich wird es durch ein schmales „U“-förmiges Gräbchen eingeschlossen. Dort befand sich ein palisadenartiger Wandabschluss, der den Wetterunbilden sicherlich besser, als die sonst übliche mit Lehm verputzte Flechtwand getrotzt hat. Ob aus der Grubenform Rückschlüsse auf Verwendung von Spältlingen oder halbierten Stämmen gezogen werden können, ist aus dem vorliegenden Grundriss nicht zu ersehen. Im nördlichen Grabenbereich wurde in der Rekonstruktion auf eine Palisadenwand mit Verwendung von Spältlingen geschlossen. In Hausgrundrissen der Linienbandkeramik und Rössener-Kultur wurden sowohl Rundhölzer als auch Spaltbohlenreste ergraben. Es ist nicht einzusehen, dass in der jüngeren Linienbandkeramik weniger sparsam mit Holz umgegangen ist, als in späteren Zeiten. Andere Wandkonstruktionen, wie Blockbau- oder Stakenwand wurden ausgeschlossen.
Dieser Teil soll übrigens - hier teilen sich die Ansichten – als Schlafraum gedient haben. Denkbar ist auch, dass in diesem Bereich ein besserer Schutz des wertvollen Entegutes gewährleistet war.
    Im Mittelteil, des zu behandelnden Grundrisses, fällt das Fehlen der oben erwähnten „Y“-Pfostenquerreihe auf, was auf die Zeit der jüngeren Linienbandkeramik hinweist. Der konstruktive Sinn wird im Platzgewinn gegenüber den anderen Hausbereichen zu suchen sein und kann somit als Arbeits- und Aufenthaltsraum gedeutet werden. Mitunter vorgefundene Holzkohlereste deuten auf Herdstellen hin.
    Der südliche und baulich wohl interessanteste Teil ist mit sechs Doppelpfostenlöchern versehen. Diese auffällige Bauweise wird im allgemeinen als Fundament für ein zweites Stockwerk gedeutet. Welchem Zweck, ob Getreidespeicher oder Schlafraum, es gedient haben mag, ist, wie schon erwähnt, umstritten. Beides wäre denkbar. Ein stichhaltiges Argument gegen den Speicher ist seine leichte Zugänglichkeit von außen. In der Literatur wird davon ausgegangen, dass sich an der südlichen Stirnseite der Eingang befunden haben muss. Gemeinhin wird bei den meisten Bauernkulturen das wertvolle Erntegut an der am schwersten zugänglichen Stelle eingelagert. Keinesfalls am Eingang. Dagegen würde der palisadenartige Wandabschluss im nördlichen Teil einen wesentlich besseren Schutz bieten.
1.3 Baubedingungen während des Neolithikums

Aus dem Bereich der experimentellen Archäologie ist der Umgang mit den neolithischen Holzwerkzeugen gesichert. Selbst kompliziertere Arbeiten, konnten im saftfrischen Zustand des Holzes durchgeführt werden. In Asparn an der Zaya, Niederösterreich, wurde bei der Rekonstruktion eines linienbandkeramischen Brunnens nachgewiesen, dass mit neolithischen Werkzeugen innerhalb relativ kurzer Zeit gefällt und weiter verarbeitet werden kann. So wurden Spaltbohlen aus dem Stamm hergestellt, indem mittels Keilen das Holz längsseits, gezielt zum Reißen gebracht wurde. Auch die Herstellung der erforderlichen Verzapfungen für den Aufbau des Brunnenkastens stellten kein handwerkliches Problem dar.

Einen enormen Kraftaufwand bedeutet hingegen der Transport der an Ort und Stelle zubereiteten bis zu 700 kp schweren Stämme, der mit Hilfe von Ochsen dennoch zu bewältigen gewesen sein muss.
Während der Zeit des Subboreals gab es riesige, über ganz Mitteleuropa verstreute Lindenwälder, deren Holz für den Hausbau hier nicht in Frage kommt. Die damals ausge-dehnten Eichen- oder Eichmischwälder des Flachlandes boten jedoch, wie Pollenanalysen zeigen, reichlich Baumaterial. Es ist anzunehmen, dass kein Mangel an gut zu verarbeitenden geradwüchsigen, drehwuchsfreien Eichen mit einem Alter bis zu 150 Jahren bestand.

Das Präparieren der Holzschnittstellen vor Fäulnis dagegen ist schwieriger zu beantworten, da chemische Bewertungen nicht vorliegen. Als erstes jedoch ist die richtige Zeit des Fällens wichtig, so gilt im Sommer geschlagenes Holz als anfälliger gegen Fäulnis. Saftfrisch verarbeitetes Holz dagegen, ist auch ohne Schutzmaßnahmen wesentlich haltbarer. Zudem ließ es sich mit den steinzeitlichen Werkzeugen besser bearbeiten, als ausgelagertes Holz. Außerdem wiesen entsprechende Funde, niemals Rissbildung auf, wie sie nur beim Austrocknen entsteht. Ein weiteres Mittel ist das Ankohlen. Der dabei entstehende schützende Teer isoliert vorrangig dünnes Holz. Bei dickeren Stämmen dagegen, wie für die Pfosten benötigt, besteht gerade bei hartem Holz die Gefahr des Austrocknens und Reißens der Fasern, was der Feuchtigkeitsaufnahme Vorschub leistet.

Bei dem augenscheinlich hohen Stand der Holzbearbeitung in jener Zeit, ist jedoch davon auszugehen, dass sicherlich geeignete Maßnahmen gegen Fäulnisbildung getroffen wurden. Dazu zählt neben der erwähnten Schlagzeit beispielsweise das Bestäuben der Pfostengruben mittels Holzkohle.

Nicht zuletzt sorgen ausreichend große Dachüberstände an Giebelseiten und Traufen und nicht zu hohe Wände dafür, ein Durchnässen zu verhindern.

Die der Archäologie vorliegenden Werkzeuge und bandkeramische Brunnenfunde weisen auf ein hohes Maß an zimmermännischen Könnens hin. So sind die kompliziertesten, auch heute noch gebräuchlichen Holzverbindungen denkbar. Doch auch wenn es nahe liegt, dass der Erbauer gewiss seinen ganzen handwerklichen Stolz in den Bau gelegt hat, wird er nur dort komplizierte Verbindungen hergestellt haben, wo sie unbedingt erforderlich waren. Beim Verbinden der Hölzer standen ihm Schnüre in ausreichender Festigkeit zur Verfügung. Sie konnten aus Bast oder Tierhäuten gefertigt werden oder indem beispielsweise die Zweige von Brombeersträuchern faserig geklopft und verflochten wurden.

So, das wär´s dann eigentlich schon. Wenn Sie sich ein Bilder dieser Langhäuser ansehen wollen, bitte sehr, so klicken Sie sich "weiter"!