Lectio in lingua Magdeburganorum

Die Sprache des homo magdeburgensum.

Wie wir im ersten Abschnitt gelernt haben, ist unsere Existenz dem glücklichen Umstand der Trennung unseres gemeinsamen Urahnen in Ost- und Westaffen in Afrika zu verdanken. Wie wir weiter erfahren haben entwickelte sich aus dem Ostaffen irgendwann einmal der homo bilzingslebensis, der Mensch aus Bilzingsleben. Dieser Ort befindet sich ganz in der Nähe Magdeburgs. Und so könnte es sein, dass er bei seinem umher Streifen nach Futter in grauer Vorzeit in Magdeburg ansässig wurde. Wenn man so will, wäre er also quasi ein Prämagdeburger. Zunächst war diese Spezies Mensch der heute gebräuchlichen Ausdrucksformen noch nicht mächtig; er konnte nicht sonderlich gut reden. Das sollte sich zwar später ändern, aber gewisse Schwierigkeiten scheinen bei seinem Nachfahren, dem homo magdeburgensis, bis heute erhalten geblieben zu sein.

Immer wieder haben sich Sprachwissenschaftler mit dem Phänomen der linguistischen Anomalien des heute lebenden homo magdeburgensis auseinander gesetzt. Manche bezeichnen seine Ausdrucksweise als Abartigkeit und meinen, eine vererbte Deformierung oder gar Missbildung ehemals vorhandener, voll funktionstüchtiger, zum Sprechen wichtiger Muskeln wäre dafür verantwortlich. Diese hätte dank einer besonders ausgeprägten Mundfaulheit zum Verkümmern dieser Muskelpartien geführt. Die Mehrheit der seriösen Wissenschaftler meint jedoch, in ihr das Ergebnis einer evolutionären Fehlentwicklung zu sehen. Bei teils hitzig geführten Debatten kristallisierte sich diese Hypothese heraus, und findet heute allgemeine Anerkennung. So handelt es sich also um eine Anomalie, eine Spielart in der menschlichen Entwicklung. Es ist nicht auszuschließen, dass es im Laufe der Entwicklung zu einer gewissen Vermischung des homo magdeburgensis mit dem normalen homo sapiens sapiens kam. Darauf ist es wohl zurückzuführen, dass er durchaus in der Lage ist normal zu sprechen. Dies aber nur unter großen Kraftanstrengungen, die er nicht lange durchzuhalten imstande ist. Wie dem auch sei, heute ist man sich darüber einig, dass es sich wegen der genannten, besonderen entwicklungsspezifischen Besonderheiten des homo magdeburgensis nicht um einen simplen Dialekt handelt. Es ist eine eigenständige Sprache, die lingua magdeburgensis. Im folgenden nun sollen die prägnantesten Lautunterschiede gegenüber der deutschen Sprache erläutert werden.


Die Vokale

"u"
Der einzige Vokal, der bislang keinen Unterschied aufweist, ist das "u".

"a"
Vokale wie das "a" erfordern in der lingua germanica, dem Hochdeutschen, ein charakteristisches Öffnen des Mundes. Dies erfordert das Vorhandensein bestimmter Muskelpartien, die beim homo magdeburgensis nicht oder nur noch rudimentär vorhanden sind. Auf Grund dessen bewegt er seinen Mund beim Sprechen nur minimal. Weswegen besonders Gehörlose keinerlei Chance haben, ihm seine Mitteilungen vom Mund ablesen zu können. Wie jedem klar wird, kann ein "a" aus einem nur mäßig geöffneten Mund nur zu einem "o"-ähnlichen Vokal mutieren. Es wird ein Laut, wie er einem Menschen entschlüpfen mag, wenn er sehr erschöpft ist oder ihn Schmerzen plagen. So also entwickelte sich in der lingua magdeburgensis das "a" zu einem halbherzig ausgestoßenen "o".

"e"
Ähnlich verhält es sich beim "e". Dieser Vokal erfordert, hochdeutsch ausgesprochen, das Anziehen der Mundwinkel in Richtung Ohren und einen gewissen ganzflächigen Druck der mittleren Zungenpartie gegen die oberen Backenzähne. Für einen homo magdeburgensis ist dies, wie eingangs erwähnt, eine wahre Kraftanstrengung. Er lässt die Zunge lieber schlaff im Rachenraum hängen und stößt so einen Laut aus, der sich irgendwie zwischen einem "e" und einem nicht sehr exakt, mehr nachlässig intonierten "ä" liegt. Beispiel: "Lehm" => "Lähm". Ein innerhalb eines Satzes befindliches "e" wird häufig weggelassen: Der Sozialpronomen "es" wird zu einem stimmlosen "s". Wie bei der Aufforderung jemandem einmal etwas geben wird zu: "Jib-s ma her!"

"ei"
Diese Vokalverbindung wird meist zu einem "ee". Der Magdeburger wird niemals "Nein" sagen, immer nur "Nee", "Beine"=>Beene". Aber es gibt auch Fälle, in denen aus dem "ei" ein "i" wird. Wie bei dem Wort "herein", was kurzerhand zu einem "rinn" zusammengezogen wird. "Komm herein" => "Komm rinn!".

"au"
Diese Vokalverbindung "au" wird zu einem "o". Das im Berliner Raum übliche "u" würde dem Magdeburger eine nicht unbeträchtliche Kraftanstrengung abverlangen, die er sich nur selten zumutet.
Beispiel: "drauf" => "droff".

"ie"
In einigen wenigen speziellen Fällen macht er die langsam auszusprechende Vokalverbindung "ie" zu einem einfachen, kurz ausgesprochenen "i", dass schon mehr wie "ü" klingt. Es ist das unbestimmte Zahlwort numerus incognitus "viel" daraus macht er ein "vülle". Dieser Fall tritt jedoch zunehmend bei alten homo magdeburgsensi auf. Daraus ist zu schließen, dass es bereits zu gewissen Vermischungen mit dem homo sapiens sapiens gekommen sein muss. Anders im Beispiel des Wortes "wieder". Dort wird das "ie" ebenfalls zum kurzen "ü" klingenden "i". Wie bei dem Tiernamen "Widder", nur mit einem schwer erklärbaren Unterschied. Beim Doppel-"d" wird hier nicht, wie im Hochdeutsch üblich, die Zungenspitze kurz gegen den Mundbereich zwischen Schneidezähnen und Gaumen gedrückt, sondern die mittlere Zunge beidseitig kurz gegen die Backenzähne gerollt. Ein wenig vergleichbar mit dem "r" des italienischen Wortes "magore".

Die Konsonanten
Alle Konsonanten, die unserem Magdeburger beim Wörter formen all zu sehr anstrengen, werden verändert, zusammengezogen oder ganz einfach verschluckt.

"b"
Besonders tritt dieser Fall beim "b" auf, wenn er sich mitten im Wort, zwischen zwei Vokalen befindet. Er wird einfach weggelassen. Wie zum Beispiel das "b" im Wort "oben"; dieses Adjektiv mutiert zu einem völlig neuen Wort. Dabei wird das "b" mit dem "n" zu einem "m" verbunden. Es müsste folglich, für Fremdlinge leserlich, wie die bekannte physikalische Einheit des elektrischen Widerstandes "R", also "ohm" geschrieben werden. Ein weiteres Beispiel, wenn ein Magdeburger Sie auffordert, ihm einen Zettel zu geben: "Jähm se mir moa s Papier!"

"g"

Kommen wir nun zum "g". Dies ist der schönste und interessanteste, aber auch komplizierteste aller Konsonanten, die zu formen der homo magdeburgensis in der Lage ist. Der anständige Magdeburger kennt es in nicht weniger als sechs Varianten, die in genau definierten Regeln angewendet werden.

- Das "g" bleibt ein "g". In seltenen Fällen, zumeist nur in der Sonntagsaussprache, bei den wenigen und seltenen verwendeten Fremdworten oder bei Verständigungsschwierigkeiten mit einem Außermagdeburgischen, wird ein echtes "g" verwendet.

- Das "g" wird zum harten "ch", wie bei dem Wort "Krach". Dieser Fall tritt immer mit einem vorangehenden betonten "a" auf bzw. bei einsilbigen "a"-vokaligen Worten. Beispiel: die "Magd" = die "Moachd".
- Das "g" wird zum weichen "ch" , wie "weich". Immer am Wortende mit einem vorangehenden Konsonanten. Beispiel: Die "Burg" = die "Borch".

- Das "g" wird zum "j". Diese Version tritt stets dann auf, wenn keiner der anderen Fälle greift. Inmitten eines Wortes, dann aber nur nach vorangehendem "e", "ei", "eu" oder "i". Besonders aber wenn sich ein "g" am Wortanfang befindet.
Beispiel: Das "Glass" => das "Jlass", der "Igel = der "Ijel" oder die "Gegend" = "Jeijend" (hierbei muss dem betonten "e" ein leichtes "i" nachfolgen).

- Das "g" wird zum "k". Stets am Wortende, in Verbindung mit einem Konsonanten. Beispiel: Der Name "Wolfgang" => "Wolfjank".

- Das "g" wird zum "r". Dies ist der schönste Fall, ja geradezu eine Metamorphose der Lautveränderung und bedarf einiger Erläuterung. Dieses "r" ist keinesfalls ein rollendes "r", dies wäre wiederum viel zu viel Arbeit. Der des Magdeburgischen nicht mächtige, muss sich darunter mehr einen Klang vorstellen, wie er entsteht, wenn einem "r" ein unbetontes, trockenes "e" folgt, wie "re". Ein Geräusch, wie es bei dem vergeblichen Versuch entsteht, wollte man mit der eigenen, jedoch fehlenden Spucke gurgeln. Es findet nur bei betontem "a", "au", "o" und "u" Verwendung.

Hier einige seiner Beispiele: Der "Wagen" => der "Woaren", die "Kugel" => die "Kurel". Die Krönung erfährt dieser Laut jedoch in dem Wort "Auge". Um dieses Wort richtig genussvoll auszusprechen sollte man sich ganz locker hinstellen, so, wie sich ein Wild-West-Held positioniert, bevor er seine Colt´s zieht. Das Gesicht muss dabei völlig entspannt sein, so, wie beim autogenen Training. Dann, aber geben sie es auf, das kann ja doch nur ein waschechter Machdeborjer, ja dann entsteht aus dem "AUGE" ein von niemandem imitierbares "AURE".

"t"
Ein "t" im eigentlichen hart auszusprechenden Sinne gibt es nicht. Entweder es wird einfach verschluckt oder zu einem kaum wahrnehmbahren, mehr gehauchten "d".

"l"
Das "l" des Wortes "mal" bleibt grundsätzlich unausgesprochen: "ma".

Mit der Grammatik, insbesondere bei der Wahl der Fälle, hat der eingefleischte Magdeburger keinerlei Schwierigkeiten. Er kennt nur den Nominativ, den vierten Fall. Nur so ist es zu erklären, dass ihm ein "mir" oder "dir" unbekannt ist; er kennt nur "mich" und "dich". - "Jib mich ma" oder in der Syntax brutalis: "Ich hau dich eene rinn", was anders, etwas feiner ausgedrückt heißt: "Ich haue dir eine rein". - Ein der Präposition "mit" folgender Artikel befindet sich stets im Nominativ: Im einem besonders netten Beispiel wird aus den Satz "Ich gehe mit der Mutti in den Zoo" ein erstaunliches "Ich jeh-e midde Mutti noach-n Zoo".

Anschließend noch einige besonders attraktive Beispiele, die sich keiner Regel zu ordnen lassen.
- In der Frage "Hast du mal eine Zigarette?" wird das "Hast du..." zu einem einzigen Wort zusammengezogen, bei dem das "a" kurz und das "s" wie ein "ss", jedoch stimmhaft wie bei "Vase" ausgesprochen wird. Das "t" und das "d" wird, weil viel zu anstrengend fortgelassen. Nämlich "hásse". Das "l" beim "mal" wird weggelassen, aus "eine" wird ein mehr angedeutetes "ne", das "Z" der "Zigarette" wird stimmhaften "s" und dass "i" wird in dem einzigen Falle zu einem formlosen, fast verstümmelten "a". Im ganzen ausgesprochen: "Hasse ma ne Sarette?"
- Muttis Ruf nach dem Kinde: "Komm mal zu Mutti!" wird erstaunlicherweise zum: "Komm-a her bei Mutti-n!"